„Top-down Entscheidungen würden nicht funktionieren“
Ehrenamtliche MitarbeiterInnen sind für viele Organisationen, Vereine oder Verbände unverzichtbar: In Organisationen, die aus haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen bestehen, sind es oft ehrenamtliche MitarbeiterInnen bzw. Freiwillige, die den reibungslosen Ablauf gewährleisten, indem sie Aufgaben übernehmen und hauptamtliche MitarbeiterInnen entlasten. Andere Organisationen oder Verein bestehen ausschließlich aus Ehrenamtlichen bzw. Freiwilligen und würden ohne deren Engagement nicht existieren. Vor diesem Hintergrund ist das Management von Freiwilligen für alle Organisationen, die mit Ehrenamtlichen arbeiten, von zentraler Bedeutung.
Sarah Andreis ist Präsidentin des Juvenilia Club Wien, der sich für die Rechte der Frau und ihre Gleichstellung in der Gesellschaft einsetzt und eine Vorfeldorganisation von Soroptimist International ist. Die Schwerpunkte des ausschließlich aus Ehrenamtlichen bestehenden Vereins liegen vor allem auf der Förderung der Gleichstellung von Frauen, der Chancengleichheit sowie der Bildung.
In unserem Interview spricht Sarah über ihre Motivation und die Motivation der ehrenamtlichen Vereinsmitglieder, sowie über die Organisationskultur und -struktur eines Vereins, der ausschließlich von Freiwilligen getragen wird.
Sarah, was motiviert dich und eure Mitglieder sich im Juvenilia Club Wien zu engagieren?
Ich denke, der Hauptbeweggrund bei uns Mitglied zu sein, ist der Wille etwas zu verändern, etwas zu tun und einen positiven Beitrag für die Allgemeinheit bzw. die Gesellschaft zu leisten. Das Engagement in einem Club lässt sich gut in den Alltag integrieren, weil wir einen Termin im Monat haben – wenn eine Veranstaltung ist, sind es 1 bis 2 Termine pro Monat. Natürlich verändert man dadurch nicht die Welt von heute auf morgen, aber das „Sich-Engagieren-Wollen“ ist sicher ein wichtiger Beweggrund.
Bei uns kann auch jedes Mitglied eigene Spendenprojekte vorschlagen, wodurch man mehr das Gefühl hat beteiligt zu sein und mehr von den Projekten mitbekommt und mehr Bezug dazu hat. Oft bekommen wir auch Berichte von unseren SpendenempfängerInnen, wofür die Spenden eingesetzt wurden. Das stärkt auch wieder das eigene Empfinden, dass man was Gutes gemacht hat und die Involviertheit ist dadurch stärker gegeben.
Bei uns ist auch der Zweck, das Verbindende, das Warum, die Botschaft – nämlich die Gleichstellung der Frau – klar erkennbar. Auch wenn die Meinungen unterschiedlich sind, haben wir trotzdem einen gemeinsamen Fokus, dass wir etwas tun, etwas ändern wollen. Wir finden uns nicht damit ab, dass es ist, wie es ist. Zu einem gewissen Grad ist man da sicher auch egoistisch, weil man sich nicht einfach mit einem Status quo abfinden will.
Wie koordiniert ihr die Arbeit eurer Mitglieder?
Es gibt in jeder Periode einen Vorstand, der aus 4 bis 5 Personen besteht, die hauptverantwortlich für die Umsetzung von Projekten sind. Wir haben also immer einen Grundstock von 4 bis 5 Personen, die motiviert sind und sich gleichzeitig durch ihre Vorstandstätigkeit auch verpflichtet haben, Projekte zu betreuen. Und dann gibt es Mitglieder ohne Funktion, die sich freiwillig für die Mitarbeit bei Projekten melden und dadurch auch den Vorstand unterstützen. Je nach Projekt können das mehr oder weniger sein, aber jede, die sich meldet, kann bei den Projekten mitmachen.
Wie bindet ihr eure Freiwilligen in die Planung mit ein und beschließt Projekte?
Grundsätzlich werden Entscheidungen und Ideen innerhalb der einzelnen Clubs besprochen und abgestimmt. Da können die Richtungen zwischen den einzelnen Juvenilia Clubs in Österreich auch sehr stark auseinander gehen. Bei größeren Themen, wie zum Beispiel der Neugestaltung unseres Logos, hatte ich vor ab Kontakt mit den Präsidentinnen der anderen Clubs, um mit ihnen einen Rahmen abzustecken, in dem wir dann mit unseren Mitgliedern diskutiert haben. Wir haben eine Eingrenzung vorgenommen, in welche Richtung es gehen soll und haben richtungsweisende Vorschläge gemacht, damit alle Clubs auch wieder zusammenfinden. Bei Themen, die alle Clubs in Österreich betreffen, dauert die Entscheidungsfindung dementsprechend länger. Beim Logo haben wir zum Beispiel auch eine Online-Abstimmung gemacht, um jedem Mitglied eine Stimme zu geben, damit es fair bleibt und damit größere Clubs nicht bevorzugt werden. Wir möchten – wenn es um große Änderungen geht – alle Clubs, alle Mitglieder und auch alle karenzierten Mitglieder einbinden. Es soll jede ihre Meinung einbringen können, weshalb wir beispielsweise auch Sitzungsprotokolle erstellen und ausschicken, damit auch nicht anwesende Mitglieder den aktuellen Stand kennen und sich einbringen können.
Viele Ideen für Veranstaltungen oder Projekte unseres Clubs entstehen aus den Diskussionen im Vorstand, weil wir als Vorstandsmitglieder einfach noch stärker involviert sind und uns auch noch öfter treffen. Wir machen dann unseren Mitgliedern Vorschläge für möglich Projekte – das wird bis zu einem gewissen Grad auch von den Mitgliedern erwartet – und dann wird über die Vorschläge abgestimmt. Reine top-down Entscheidungen vom Vorstand würden nicht funktionieren, weil sich da die aktive Teilnahme unserer Mitglieder und die Identifizierung der Mitglieder mit dem Projekt vermindern würde. Wird alles miteinander besprochen und als Idee des ganzen Clubs getragen, dann hat man auch ein besseres Wir-Gefühl.
Wie geht ihr mit Konflikten innerhalb eures Vereins um?
Es gibt natürlich immer wieder unausgesprochene Konflikte – was wir auch bei unserem Teambuilding gemerkt haben –, aber auch offene Konflikte bzw. Uneinigkeiten bei verschiedenen Themen. Die meisten Konflikte lassen sich aber im Gespräch lösen. Viele Konflikte, die wir haben, basieren auf Kommunikationsproblemen, weil Dinge anders verstanden werden, als sie gemeint waren. Wir bemühen uns, Konflikte anzusprechen, auszureden und auszudiskutieren. Und wir versuchen von Anfang an alles möglichst klar zu formulieren und möglichst klar hinzuschreiben, damit es weniger Konfliktpotenzial gibt.
Wie bringt ihr euren Freiwilligen eine entsprechende Anerkennung und Wertschätzung entgegen?
Grundsätzlich machen wir keine Unterschiede zwischen dem Vorstand und den „normalen“ Mitgliedern, wenn es um Anerkennung geht. Wenn, dann geht es bei uns eher in die Richtung, dass Vorstandsmitglieder weniger Anerkennung erhalten, weil deren Engagement als selbstverständlicher wahrgenommen wird. Ich glaube, dass es teilweise zu wenig Wertschätzung gibt, weil das im Trubel und wenn jede ihre Aufgaben erledigt, oft untergeht. Bei vielen Projekten gibt es aber sicher sehr viel Wertschätzung und die kommt dann auch von allen Mitgliedern und nicht nur vom Vorstand. Bei uns gibt es keine sachliche oder finanzielle Anerkennung oder Geschenke – wir zahlen beispielsweise nicht einmal die Weihnachtsfeier für unsere Mitglieder. Bei uns wird Wertschätzung und Anerkennung daher hauptsächlich durch ein „Danke“ ausgedrückt. Grundsätzlich haben wir innerhalb vom Club aber auch einen sehr wertschätzenden und respektvollen Umgang miteinander und jede im Club erkennt an, dass sich jedes Mitglied freiwillig einbringt und sich Zeit für Projekte nimmt. Wir sind alle sehr eingeteilt, arbeiten oder studieren Vollzeit, weshalb wir alle wissen und wertschätzen, dass wir für unser Engagement ein Stück Freizeit hergeben.